Als im Juni 2010 der Auftrag zur Umgestaltung des meist unbeachteten, in faschistischer Formensprache gestalteten Kriegerdenkmals in unserer Schule an die Kunststudenten Aldo Ernstbrunner und Stefan Klampfer ging, begann ein konstruktiver Prozess. Die Idee, beziehungsweise der ausgewählte Entwurf, sollte bestmöglich in die Realität umgesetzt werden.

Gemeinsam mit der Jury des Wettbewerbes und den Künstlern wurden offene Fragen, wie zum Beispiel die der Materialwahl einzelner Elemente innerhalb der neuen Gestaltung, immer in Relation zum Inhalt und dem Standort Schule, besprochen und gelöst. Es war allen bewusst: Bei diesem Thema, sowie bei Eingriffen in alte Bestände eines Hauses, ist Sensibilität und Fachwissen von großer Bedeutung.

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Die mit senkrechten Rillen gestaltete Wand des Hintergrundes, die auch als Umrahmung der einzelnen Bild- und Textelemente dient, war eine technische Herausforderung und nur mit professionellen Handwerkern zu bewältigen. Eine schöne Überraschung war, dass sich hinter der von ihrem alten Platz entfernten Bronzetafel eine Ziegelwand befand, so wie es im Entwurf auch vorgesehen war. Die Texttafel aus Holz ist nach alter Grundiertechnik, wie in der Malerei, behandelt. Die Schrift ist mit Siebdrucktechnik aufgebracht und deshalb von besonderer Wirkung.

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Wer den erklärenden Text verfassen sollte, stand noch nicht von Beginn an fest. Es war ein großer Gewinn für das Projekt, dass wir den Schriftsteller Doron Rabinovici als Autor gewinnen konnten. Seine Überlegungen sind durch ihre literarische Qualität ein wesentlicher Bestandteil der Installation geworden.

Das neue Denkmal, das bei der 125-Jahr-Feier am 18. November 2011 vorgestellt wurde, wirkt auf jeden/jede, der/die an ihm vorbeigeht. Aus einer Idee ist ein sichtbares Zeichen geworden, das überzeugt, ein Umdenken bewirkt und doch auch Fragen offen lässt.

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Fast wie von selbst ergeben sich durch diesen neu beleuchteten Teil der Schulgeschichte Reflexionen, die SchülerInnen aller Altersstufen bewegen. Die oft gestellte Frage, was wohl in das von Marmor umrahmte Backsteinfeld kommt, ist Teil des künstlerischen Konzeptes. Denn dass die freigelegte Backsteinwand als für sich stehendes Bild bleibt, führt meist direkt in die Thematik der umgestalteten Denkmalwand.

 
SchülerInnen und Schüler der 5B (2010/11) haben ihre Gedanken zum Denkmal formuliert:

„ … Aber welchen Bezug hat man denn zu einem Denkmal, das aus schiefgehauenen Bronzeblöcken besteht und irgendwo auf einem belebten Platz steht? Gar keinen! Man muss sich näher damit befassen. Was aber dann auch so gut wie niemand tut, weil Denkmäler einfach etwas sind, was einen nicht wirklich anspricht. Es werden vielleicht ein paar Daten aufgelistet, aber sonst passiert nicht viel. Denkmal ist wahrscheinlich die falsche Bezeichnung für ein modern gestaltetes Stückchen Geschichte. Wir sehen mehr, als wir denken, wir nehmen es vielleicht kurz wahr – und fertig. Deswegen, finde ich, wurde das neue Denkmal in unserer Schule umso besser gestaltet und besprochen. Wir haben es angeschaut, den Text dazu viele Male gelesen und dass wir jetzt darüber schreiben, zeigt ja letztendlich, wie sehr wir uns damit beschäftigen. Ich werde jetzt nicht noch einmal schreiben, worum es bei diesem Denkmal geht oder wie es verändert wurde, denn das schreibt wahrscheinlich der Großteil der Klasse. Ich will nur noch sagen, dass man aus diesen zwei Gedenktafeln oder wie man das nennen soll, wirklich etwas gemacht hat.“

schreibt Linda P.

 

Anja G. schrieb eine fiktionale, literarische Geschichte, die sich mit dem Leben eines jungen jüdischen Burschen in den Jahren nach dem so genannten „Anschluss“ beschäftigt. In ihrem Nachwort heißt es:

„Wollen wir diese Geschichte glauben? Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hätten die meisten Menschen das hundertprozentig abgestritten. Ich gebe zu: Die soeben geschilderte Geschichte ist frei erfunden, aber sie könnte sich so zugetragen haben, da sie auf  erwiesenen Tatsachen beruht, die immer viele Menschen nicht wahrhaben wollen. Verdrängung und Verdrehung der Fakten über diese Zeit sind der Grund dafür. Im Döblinger Gymnasium wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges eine Zusatztafel zum Kriegerdenkmal der Gefallenen des Ersten Weltkrieges hinzugefügt, die nicht ganz den Tatsachen entspricht. Darauf steht geschrieben: „Zum Gedenken der im 2. Weltkrieg gefallenen Lehrer und Schüler“. Nun gibt es aber Lehrer und Schüler des G19, die nicht dem Krieg, sondern dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer gefallen sind. „Sie sind keine Gefallenen“, wie der Schriftsteller Doron Rabinovici in einem Kommentar richtig bemerkt, der sich mit den bisher verschwiegenen Opfern beschäftigt und der Teil der Neugestaltung des Denkmals ist. Sie wurden gedemütigt, verprügelt, vergewaltigt oder erschlagen, heißt es im Text. Und es war kein Zufall, dass niemand ihrer gedachte. Es zeigt nur wieder einmal, wie man im Nachkriegsösterreich mit den jüngsten geschichtlichen Ereignissen umzugehen versuchte. Doch um die Sache auf den Punkt zu bringen: Wer erlangt schon ein gutes Gewissen - durch Feigheit und Verdrängung?“

 

 

Ein weiteres Bespiel, diesmal ein Gedicht, stammt von Teresa B. Man kann in ihrem Text, aber auch in den oben angeführten erkennen, dass von Seiten der SchülerInnen ein Denk- und Auseinandersetzungsprozess eingesetzt hat, der zeigt, welche Wirkung von der bis zur Umgestaltung fast unbeachteten „Kriegergedenktafelwand“ nun ausgeht. Damit ist das intendierte Ziel dieser historischen und künstlerischen Intervention mit Sicherheit erreicht worden.

GEDENKEN
An alle Opfer der beiden großen Kriege des letzten Jahrhunderts
An alle verfolgten Menschen, die in den Konzentrationslagern umgekommen sind
An Juden, die gefangen genommen, deportiert und in den Konzentrationslagern ausgerottet wurden
An alle Frauen, Kinder, die in bombardierten Kellern umgekommen sind
An alle Soldaten, die gefangen in einem System, sich den Gegnern ausliefern mussten
An alle Menschen, die verhungert, an Erschöpfung gestorben sind
An alle, die nicht unter das bereits Gesagte fallen und genauso Opfer sind

EIN DENKMAL
Denn sie hatten keine Chance zu überleben
Denn sie wurden geboren zur falschen Zeit am falschen Ort
Denn für sie galt nicht das erste Menschengrundrecht: das Recht auf Leben

GEDENKEN
An alle gewaltsam ausgelöschten Leben

EIN DENKMAL
Für die lebende Erinnerung

Mag. Lilli Kern, Mag. Martin Krist