Geschichte, Politik und Wirtschaft
Verleihung des Leon Zelman-Preises 2014 an das Gymnasium Wien 19
Der Wiener Kulturstadtrat und Vizepräsident des Jewish Welcome Service Vienna Dr. Andreas Mailath-Pokorny überreichte den mit 5000 € dotierten Preis am 12. Juni 2014 im Wiener Rathaus.
Der Leon Zelman Preis wird seit 2013 an Personen, Projekte und Organisationen vergeben, die sich im Sinne Leon Zelmans aktiv für die Erinnerung an die Shoah und den Dialog zwischen dem heutigen Österreich und den Opfern der NS-Verfolgung und ihren Nachkommen einsetzen. Leon Zelman appellierte stets an eine verantwortungsbewusste Gesellschaft, die sich für eine Welt engagiert, in der Antisemitismus und Rassismus keinen Platz mehr haben. - link
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Die Jury begründete die diesjährige Preisvergabe folgendermaßen:
„Die Schulgemeinschaft des G 19, Gymnasiumstraße mit ihren jahrelangen vielfältigen Aktivitäten im Rahmen ihrer Gedenk-und Erinnerungsarbeit steht für diese Haltung. Die Jury würdigt mit der Vergabe des Leon Zelman Preises die umfassende Leistung der Pädagoginnen und Pädagogen, insbesondere von Mag. Martin Krist sowie der Schülerinnen und Schüler des G 19. Die Jury anerkennt das permanente Bemühen als eine der ersten Wiener Schulen um die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte Österreichs und ihren Folgen. Insbesondere das genaue Aufarbeiten der Schulgeschichte während der NS-Zeit, die Aufzeichnung der Lebensläufe und Schicksale der jüdischen Schüler verbunden mit der Kontaktaufnahme und Einladung der vertriebenen Schüler nach Wien.“
Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny würdigte die Preisträger wie folgt: „Das intensive und langjährige Bemühen der Schulgemeinschaft des Bundesgymnasiums 19 hat mich tief berührt. Ich freue mich auch, dass es einen würdigen Preis dafür gibt, um dieses so wichtige Wirken im Dienste des Erinnerns auszuzeichnen. Der Wert der hier von den SchülerInnen und PädagogInnen geleisteten Aufarbeitung jüdischer Vertreibung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: Sie verbindet sinnvolle Pädagogik, aktives, kreatives Lernen und Forschen mit der so wichtigen lebendigen Vermittlung unserer Vergangenheit - ohne die wir letztendlich keine Zukunft haben. Die Annäherung an dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte gelingt hier auch deshalb so wirkungsvoll, weil es ebenso die SchülerInnen von einst einbindet. Ein Schulprojekt, von dem zu hoffen ist, dass es Schule macht.“
Die Laudatio hielt der Geschäftsführer von_erinnern.at_, Werner Dreier.
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Laudatio von Werner Dreier: - download
Auch Schülerinnen kamen zu Wort. Ania Gleich unterstrich die Verantwortung, „es nicht dazu kommen zu lassen, dass auch nur ein weiteres Auge vor dem Geschehenen zugemacht wird“. Im Laufe der Jahre an diesem Gymnasium sei ihr bewusst geworden, dass sie „in dieser Schule und überhaupt durch die zahlreichen Beschäftigungen mit dieser Thematik gelernt habe, sich dazu verpflichtet zu fühlen, diese Aufklärungsarbeit so lange wie es nötig ist weiter zu führen und es niemals geschehen lassen, dass über unsere Geschichte ein Schleier der Gleichgültigkeit fällt und das Engagement dafür nachlässt. Denn wiederholt gesagt, liegt es in unserer Macht, niemals wieder vergessen zu lassen.“
Linda Pietsch unterstrich die Wichtigkeit, im Unterricht mit ZeitzeugInnen konfrontiert worden zu sein: „Ich hatte das Glück, mit Überlebenden des Zweiten Weltkriegs sprechen zu können, die mir das Unrecht dieser Zeit so eindrucksvoll übermittelten, wie es kein Geschichtsunterricht jemals könnte. Doch gehören wir vermutlich zur letzten Generation, die mit diesen Menschen sprechen konnte. Die Erinnerung an sie, wird mit der Zeit verblassen und auch die, an ihre Schicksale. Genau deshalb haben wir eine Aufgabe bekommen. Es ist unsere Aufgabe ihr Andenken zu wahren. Damit meine ich unter anderem auch die Dinge, die uns überdauern werden: Gedenktafeln, ehemalige Konzentrationslager, die heute als Gedenkstätten dienen, Schriften und Bücher, die ihre Leiden und ihren Kampf dokumentieren. Es reicht nicht, diese Stückchen der Geschichte aufzuheben, sondern sie auch historisch korrekt zu gestalten, in Sprache und Inhalt, was nach vielen Jahren auch in unserer Schule passiert ist.“
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Auf einen besonderen Aspekt im Umgang mit ZeizeugInnen im Unterricht wies in seiner Dankesrede Martin Krist hin: „Es wird von unterschiedlichen Medien immer wieder behauptet, dass der Unterricht über den Holocaust bei migrantischen Kindern nicht ankommt, ja abgelehnt wird. Das kann ich nicht bestätigen, denn immer wenn ich an der Schule ZeitzeugInnen in Klassen hatte, ließ ich die SchülerInnen danach kurze Reflexionen darüber schreiben, was sie empfunden haben, welche Gedanken ihnen durch den Kopf gegangen sind, wie sie sich gefühlt haben usw. Und da konnte ich noch nie einen Unterschied zwischen migrantischen und nicht-migrantischen SchülerInnen feststellen. Als Beispiel ein Zitat eines albanischen Schülers aus dem heurigen Schuljahr über den Zeitzeugen Alois Kaufmann, einem Überlebenden der Kindereuthanasieanstalt „Am Spiegelgrund“: ‚Er hat einem zum Nachdenken gebracht. Wenn man solche Geschichten hört, wie es früher den Menschen ergangen ist, dann kann man sich sehr glücklich schätzen, dass man in der heutigen Zeit lebt.‘ Oder eine bosnische Schülerin: ‚Das Leid, das den Kindern am Spiegelgrund zugefügt wurde (sie wurden für Experimente verwendet, missbraucht und gequält) ist unverzeihlich und eines der unmenschlichsten Geschehen von denen ich je gehört habe. Für mich war es insgesamt eine Erfahrung, die ich für immer in Erinnerung behalten werde.‘“
Einladung des Jewish Welcome Service Vienna zum Festakt: - download
Bericht von der Preisverleihung "Kurier" (13,6.2014): - link
Bericht aus der Wiener Zeitung (17.06.2014)
Artikel : Standard (27.06.2014)
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