Lilli TauberAm 14. April 2010 besuchten Lilli und Max Tauber die UÜ Politische Bildung der 4. Klassen des G19.

Lilli Tauber lebte bis zum Novemberpogrom in Wiener Neustadt, wurde dann mit ihrer Familie nach Wien vertrieben. Ihre Eltern entschlossen sich, Lilli als 11-Jährige mit einem sogenannten „Kindertransport“ nach Großbritannien zu schicken, um ihr Überleben zu sichern.

Sie sollten ihre Tochter nie wieder sehen. Eine Zeitlang bestand noch Briefkontakt, sogar aus dem Ghetto in Opole gelang es den Eltern, an Lilli zu schreiben. Aber 1942 wurden sie in einem NS-Vernichtungslager ermordet. Lilli Tauber erlangte darüber erst nach Kriegsende Gewissheit. Sie kehrte nach Wien zurück und heiratete Max Tauber, der aus Palästina nach Wien zurückkam. Österreich wurde ihnen allerdings nie mehr zur Heimat. Lilli und Max Tauber leben heute in Wien.

Im Anschluss einige Textausschnitte aus den Berichten, die die SchülerInnen der UÜ Politische Bildung nach dem Besuch von Lilli und Max Tauber schrieben.

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Heimat

Sehr berührt war ich, als uns Frau Tauber noch erzählte, sie habe im Herzen keine Heimat. Sie findet zwar, dass Österreich ein schönes Land sei, aber Geborgenheit könne ihr Österreich nicht geben. Das, glaube ich, kann aufgrund ihres Schicksals jeder verstehen.

Teresa B.

Jeden Tag musste sie daran denken, dass ihre Eltern möglicherweise in irgendeinem Konzentrationslager Höllenqualen erleiden mussten, und als sie nach dem Krieg nach Österreich zurückkehrte, bestätigte sich ihr fürchterlicher Verdacht. Ihre Eltern waren tot.

Frau Tauber sagte uns, sie hätte keine Heimat mehr, und ich verstehe sie. Am ehesten noch würde sie England sagen und nicht Österreich, wenn sie an Heimat dächte. Doch es muss schrecklich sein, diese Erkenntnis zu haben. Denn wer würde schon gerne heimatlos sein?

Anja G.

Gegen Kriegsende schloss sich Lilli Tauber der Organisation „Young Austria“ an. Mit deren Hilfe kam sie auch nach Wien zurück. Dies war eine Form des Nach-Hause-Kommens. Doch Lilli Tauber sagte, dass sie, wenn sie jemand fragen würde, wo ihre Heimat ist, antworten würde: „Ich habe keine.“

Dieser Satz berührte mich besonders. Keine Heimat zu haben, stelle ich mir komisch und zugleich schrecklich vor. Manchmal ist man stolz auf seine Heimat, manchmal nicht. Wie das wohl ist, wenn man keine Heimat hat?

Julia J.

lilli_tauber03Flucht ohne Eltern

Für mich ist es kaum vorstellbar, jetzt oder vor zwei Jahren in ein fremdes Land zu ziehen, wo ich keine Bezugsperson hätte und die Sprache auch kaum verstehen würde. Bestimmt war das eine sehr schwere Zeit für sie. Ich bewundere sie, dass sie sich nach so vielen Jahren ein neues Leben aufgebaut hat.

Theresa R.

Ich kann mir nicht vorstellen, meine Familie zu verlassen und nie wieder zu sehen. Ich möchte es mir gar nicht vorstellen. Ich glaube, dass ich das seelisch nicht verkraften könnte. Ich verstehe auch immer noch nicht, wie man Menschen mit anderer Hautfarbe oder Religion zu Außenseitern machen kann, aber das kann man wahrscheinlich nicht verstehen, genauso wenig wie die vielen Gräueltaten der Nazis. Als 11-Jährige die Familie zu verlieren, in ein völlig fremdes Land zu reisen, ohne Eltern, ohne jemanden zu kennen, der auch dieselbe Sprache spricht oder mit dem man befreundet ist, muss hart gewesen sein – sehr hart. Doch ich freue mich für Lilli Tauber, dass sie ihr weiteres Leben glücklich verbracht und sicher wieder Freude am Leben gefunden hat. Die ganze Zeit, die sie in England war, ist zwar Vergangenheit, aber man kann und darf diese zum Teil schreckliche Zeit und zum anderen Teil folgende glückliche Zeit einfach nicht vergessen!

Julia D.

Ich kann es mir nicht vorstellen, meine Eltern ab dem 11. Lebensjahr nicht mehr zu sehen. Immerhin würde ich sonst schon drei Jahre ohne meine Eltern leben. Eltern, die mich stützen, mir Mut machen und mir einiges beibringen. Ich will mir gar nicht ausmalen, wo und wie ich jetzt leben würde.

Thomas Sch.

Tod der Eltern

Einen solchen Schmerz kann ich mir gar nicht vorstellen, und deshalb finde ich es auch bemerkenswert, wie offen Frau Tauber über ihr Schicksal geredet hat. Für mich ist es wichtig, dass der Holocaust nicht in Vergessenheit oder Unbeachtetheit fällt.

Evelyn B.

Ich dachte mir öfter, warum das eigentlich alles geschehen musste. Das schlimmste Ereignis, der Tod ihrer Eltern, hat mich sehr bewegt, und ich konnte ihr die selbstverständliche Trauer anmerken. Man muss sich das einmal vorstellen, dass man mit so wenig Lebenserfahrung Waise wird.

Markus St.

Was ich besonders traurig finde, ist, dass sie sich nicht noch einmal verabschieden konnte, bevor ihre Eltern gestorben sind. Es muss wirklich schlimm sein, wenn man seine Eltern längere Zeit nicht gesehen hat und dann erfährt, dass sie nicht mehr leben. Vor allem war Lilli Tauber noch sehr jung, als das alles passiert ist.

Auf jeden Fall hoffe ich, dass nie wieder solche Zeiten wie damals kommen und irgendjemand wieder so etwas erleben muss.

Da Bin P.

lilli_tauber02Antisemitismus

In den 70er Jahren, als Lilli und Max Tauber eine Busreise machten, lernten sie ein nettes Ehepaar kennen, das ihnen nicht mehr von der Seite rückte – bis sie erfuhren, dass Lilli und Max Tauber Juden sind. Seit diesem Moment redeten sie kein Wort mehr mit ihnen.

Als ich diese Geschichte hörte, traute ich meinen Ohren nicht! Wie kann man nur nach so vielen Jahren noch immer so denken! Das war wirklich schockierend für mich.

Julia J.

Verstehen bzw. Nicht-Verstehen

Als Lilli Tauber begann, uns ihre schrecklichen Kindheits- und Jugenderlebnisse zu erzählen, wurde es sehr still im Raum. Ihre Geschichte fesselte mich vom ersten Moment an. Ich hörte gebannt zu und versuchte mir auszumalen, welche Qualen sie erleiden musste. Doch dabei scheiterte ich kläglich. Für mich heute ist diese Welt des Grauens und der Unbarmherzigkeit kaum nachzuvollziehen. Wer von uns heute, der die Schrecken des Naziregimes nicht miterlebt hat, kann sich vorstellen, was damals passiert ist?

Michael M.

Wissen durch ZeitzeugInnenvorträge

Diese grauenhaften Erinnerungen werden Lilli Tauber wahrscheinlich weiterhin verfolgen, und ich empfinde größte Hochachtung für ihre unermüdliche Aufklärungsarbeit. Denn sie erzählt all diese Geschehnisse bis ins kleinste Detail und beantwortet auch bereitwillig Fragen zu ihrer persönlichen Geschichte. Noch dazu Kindern wie uns, die sie womöglich nie wieder in ihrem Leben sehen wird. Wir dagegen können von solchen persönlichen Zeugnissen nur profitieren und dieses Wissen weitergeben, denn wir haben ja tatsächlich mit einem Menschen aus Fleisch und Blut gesprochen und wir wissen, dass er die Wahrheit gesprochen hat. Geschichtsbücher sind sicher eine gute Sache, aber die Worte solcher Zeitzeugen sind es, die uns die Augen öffnen, für etwas, das wir, wenn wir es nicht mit eigenen Ohren gehört hätten, vermutlich nicht für möglich gehalten hätten.

Anja G.

Was uns beide am stärksten vermitteln wollten, ist, dass egal welcher Religion jemand angehört, egal welche Hautfarbe er/sie hat und welche Sprache er/sie spricht, er/sie genauso ein Mensch ist wie du und ich. Dass wir Menschen nicht in Schubladen hineinstecken und sie nicht wegen eines hier angeführten Punktes verachten sollten.

Thomas Sch.